Iceventure
geschrieben von 
15. September 2020
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10 Kernkriterien der Technologiebewertung

Durch neue Technologien werden neue Entwicklungspotentiale und Geschäftsmodelle ermöglicht, aber auch eine höhere Effektivität und oder Kosteneffizienz. Also sind neue Technologien für Unternehmen positiv, und das Monitoren von diesen fast schon obligatorisch. Dabei gibt es aber aktuell eine Besonderheit - die Zahl von aktuell relevanten oder vielversprechenden neuen "disruptiven" Technologien, wie zum Beispiel Blockchain, künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder autonomem Fahren als Teil von KI, nimmt stetig zu.

Technologiebewertung Mehr Faktor Modell Hype Cycle
Dies geschieht vor dem gesellschaftlichen Hintergrund, dass auch außerhalb von technologischen Entwicklungen, also auf wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene weitreichende Änderungen, schnell stattfinden. Iceventure bezeichnet diesen Prozess als "säkularen Wandel". Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die üblichen Analysemodelle nicht mehr dazu in der Lage sind, verlässliche Vorhersagen und Einschätzungen zu treffen. Stichwort Brexit. Um dennoch gute Entscheidungen treffen zu können, sind neue analytische Methoden und Frameworks nötig, die holistisch "das große Ganze" berücksichtigen. Technologiebewertung bekommt also eine neue Dimension.

Dieser gesellschaftliche Wandel verschärft die Veränderung, und verstärkt vor allem die Unberechenbarkeit der technologischen Neuentwicklungen. Das verstärkt das Problem für Unternehmen, dass darin besteht, dass neue Technologien zu großen Wettbewerbsvorteilen führen können, aber auch mit erheblichen Risiken verbunden sind. Diese Vorteile und Risiken sind nicht immer ohne weiteres ersichtlich oder vorhersehbar. Auch die Entscheidung, die Entwicklung einer Technologie oder eines Marktes abzuwarten, stellt ein Risiko dar, da Firmen aufgrund ihrer fehlenden Innovationsbereitschaft vom Rest des Marktes abgehängt werden können.

komplementäre Methoden der Technologiebewertung

Um zu verhindern, dass das Unternehmen in die "falsche" Technologie, oder zu spät in die "richtige " Technologie investiert, ist eine ausführliche, kontextorientierte Technologiebewertung nötig. Dabei spielt die Methodik eine große Rolle. In der Regel und Praxis werden gerne qualitytive Modelle eingesetzt, wie z.B. der Gartner HypeCycle oder das Lebenszykluskonzepte mit den bekannten "Early Adopters". Doch damit ist Prognosefähigkeit nicht unbedingt gegeben, wie zum Beispiel in diesem Artikel zu Kritik rund um das HypeCycle Modell von Gartner erläutert wird. Und die Einordnung einer Technologie auch gegenbüber anderen Technolgogien, wie oben ausgeführt ist unzureichend. 

Auch die interne Konflikte sind zu wenig berücksichtigt. Denn wenn Firmen vor einer Investitions- oder Implementierungsentscheidung bezüglich einer neuen Technologie stehen, geht dies mit zahlreichen möglichen Problemen bezüglich interner und externer Stakeholder einher. Eine neue Technologie zu entwickeln oder in ein Unternehmen zu integrieren kann durch Trägheit in der Organisation, Kommunikations- und Koordinationsproblemen, oder auch durch eine Abneigung gegenüber Technologien von außerhalb (not investend by us) zur Verschwendung viel Zeit, Energie und Arbeit kosten. Und auch die Fragen nach der Tragweite stellt sich.

In der Praxis der Technologiebewertung von Iceventure verwenden wir deswegen eine Reihe von komplementären Ansätzen, die vor/bei einer solchen Implementierungsentscheidungen verschiedene Bewertungskriterien und Fragen zum Marktpotential neuer Technologien umfassend betrachtten. Dazu beziehen wir einen weiteren Kontexpunkt mit ein. Denn die entsprechenden Kriterien und Fragestellungen unterscheiden sich nach Marktlage, Branche, strategischen Überlegungen sowie der Positionierung und Größe des Unternehmens.

Um hier einen Einblick in dieser Denkweise und CTOs eine erste Checklsite an die Hand zu geben werden im Folgenden zehn Bewertungskriterien zu den internen und externen Faktoren neuer Technologien aufgeführt und am Beispiel von autonomem Fahren illustriert.

Disruptivität in der Technologiebewertung

Der Begriff "Innovation" kann etwas vage sein. Genauer betrachtet gibt es einerseits die schrittweise Verbesserung von Bestandstechnologie und andererseits eine allgemeine Umwälzung bestehender Paradigmen durch "disruptive" Innovation. Die verschiedenen Unterarten von Innovation folgen sehr unterschiedlichen Mustern. Dazu ist eine Innovation nicht nur eine Eigenschaft einer Technologie, sondern ergibt sich aus der Wechselwirkung zwischen Technologie, Markt und Anwendungsbereich.

Am Beispiel autonomes Fahren:
Die Disruptivität von autonomem Fahren ist erheblich. Der B2B-Bereich könnte den Markt von allen transportabhängigen Industrien(Logistik) massiv verändern. Auch im B2C-Bereich wird ein komplett neues Mobilitätskonzept möglich bzw. nötig sein. Zudem wird neben dem Transportationssektor auch der Datenmarkt beeinflusst, und diverse bestehenden Technologiemärkte werden durch die von autonomem Fahren steigende Nachfrage bedeutend anwachsen (Systemtechnologie, Kybernetik).


Potenziale im Rahmen der Technologiebewertung

Das Potenzial einer neuen Technologie im Vergleich zu Bestandstechnologien ist ein Kernpunkt bei der Implementierungs- oder Investitionsfrage. Der Begriff ist relativ weit gefasst, und schließt Kosteneinsparungen, Qualitätserhöhungen von Produkten und Dienstleistungen, aber auch neue Märkte und Geschäftsmodelle ein. Iceventure unterscheidet hier auch zwischen dem Potential der Technologie an sich und dem Potential im Kontext des Marktes und der Marktstruktur. Entscheidend bei dem Potential einer Technologie ist im Rahmen der Bewertung aber auch die Frage, wie dieses Potential gehoben und genutzt werden kann.

Am Beispiel autonomes Fahren: Einerseits gibt es verhältnismäßig kleine Veränderungen; beispielsweise investieren digitale Taxidienste wie Uber und Lyft in die Erweiterung ihrer Fahrzeugflotten mit fahrerlosen Autos. So werden die Kosten gesenkt und zugleich die Verfügbarkeit von Fahrzeugen erhöht. Viel dramatischer ist aber das Potential, dass es sich autonomes Fahren zunächst um eine digitale Technologie handelt und dass diese gesamte Geschäftsfelder eröffnen bzw. komplett transformieren können (jeder Bereich, in dem ein Mensch am Steuer sitzt).

Risiko der Nutzung oder Nichtnutzung einer Technologie

Eine Technologie zu nutzen bringt diverse Risiken mit sich; ebenso die Entscheidung, eine Technologie nicht zu nutzen. Wie hoch ist das Risiko der Implementierung einer neuen Technologie auf der finanziellen, wirtschaftlichen, operativen und rechtlichen Ebene? Wie hoch ist das Risiko, bei einer Entscheidung gegen eine neue Technologie einen Wettbewerbsvorteil zu verpassen?

Am Beispiel autonomes Fahren: Auf den ersten Blick stellen sich Haftungs- und Sicherheitsfragen; es ist aber davon auszugehen, dass kein ernstzunehmender Autohersteller eine solche Technologie unausgereift auf den Markt bringen würde. Das Risiko besteht in diesem Fall eher darin, entweder die Kosten und das technologische Risiko eines frühen Einstiegs in die Technologie in Kauf zu nehmen oder das Risiko einzugehen, den Einstieg noch abzuwarten und so eventuelle Wettbewerbsvorteile oder Marktanteile zu verspielen.

Reifegrad

Der Reifegrad einer neuen Technologie hat Auswirkungen auf die optimale Unternehmensstrategie bezüglich Investition und Entwicklung. Es ist offensichtlich möglich, zu spät bei einer neuen Technologie einzusteigen und so Wettbewerbsvorteile zu verpassen. Ebenso kann aber auch zu früh mit einer Implementierung begonnen werden, bevor die Technologie reif genug ist, um ein angebrachtes Kosten-Nutzen-Risiko-Profil zu besitzen.

Am Beispiel autonomes Fahren: Es gibt einzelne Teilbereiche, in denen autonomes Fahren bzw. Komponenten (Sensoren, Gefahrenerkennung) davon schrittweise integriert wird, aber noch keine umfassende Lösung auf dem Markt. Hier besteht also Potential für die Entwicklung von Teil- und Komplettlösungen, aber noch keine fertig nutzbare Lösung. Zudem ist besonders der zweite Innnovationsschritt, also die Kombination der digitalen Technologie autonomes Fahren mit anderen digitalen Technologien (z.B. Schwarmintelligenz durch autonome Kommunikatinn zwischen Fahrzeugen), bisher nur im Ansatz erkennbar.

Make or Buy Fragestellung bei einer Technologie

Wie hoch wären die Kosten für die interne Entwicklung einer neuen Technologie? Macht es stattdessen Sinn, die Technologie von außen einzukaufen? Hier spielen sowohl die bestehenden Entwicklungskapazitäten als auch der Personal- und Technologiemarkt eine Rolle. Aber auch Umfeldfaktoren spielen eine Rolle. Hat eine Technologie das Potential bestehende und gefestigte Abnehmer-Zulieferer Beziehungen zu verändern/umzudrehen?, um nur ein Beispiel zu nennen.

Am Beispiel autonomes Fahren: Momentan sind die Entwicklungskosten für autonome Fahrtechnologie noch recht hoch, dazu gibt es noch keine direkt nutzbare Technologie auf dem Markt. Daher findet die Entwicklung nicht flächendeckend, sondern punktuell statt, was wiederum Folgen für die weitere Marktentwicklung hat.

Hier zeigt sich wieder der Unterschied zwischen "traditionellen" Industrien und digitaler Technologie. Im Hardwarebereich und der Integration müssen große Automobilhersteller mitwirken, während im Software- und Datenbereich kleine Unternehmen durchaus auch relevante Marktteilnehmer werden können. Also wird die Make-or-Buy-Entscheidung nicht für die Technologie als Ganzes, sondern wahrscheinlich für verschiedene Komponenten einzeln getroffen werden.

Usability

Die Nutzbarkeit ist eine Frage, die auch vom Anwendungsbereich abhängt (B2B, B2C, B2G). Wird der Nutzer beim Lösen von Problemen unterstützt? Kann die neue Technologie bestehende Usability-Probleme in den Griff bekommen?

Am Beispiel autonomes Fahren: Autonomes Fahren hat das Potential, einen Paradigmenwechsel im Transportationsbereich hervorzurufen (von Fahren als Tätigkeit zum Fahrzeug als Raum für andere Aktivitäten). Es gibt zudem Bereiche, in denen die tatsächliche Interaktion zwischen Mensch und Maschine auf ein Minimum reduziert werden kann. Usability-Fragen könnten sich auf die Datenstruktur und Entwicklerseite verlagern, also ob sich Veränderungen des Fahrverhaltens autonomer Fahrzeuge auf einer höheren Ebene durch Entwickler möglichst einfach und präzise ändern lassen.

Integration

Wie leicht lässt sich eine Technologie in die bestehende technologische Landschaft integrieren? Die Wechselwirkung zwischen bestehenden Strukturen und Technologien und technologischen Innovationen kann auf der Unternehmens-, aber auch Nutzerebene zu Herausforderungen führen.

Am Beispiel autonomes Fahren: Autonomes Fahren muss als Technologie auf allen Ebenen integriert werden, von der Software, zur Hardware, zur Fahrzeugtechnik, bis hin zur Systemebene. Fachkompetenzen im Automobilbereich sind für eine effektive Integration nicht ausreichend, ebenso wenig das einfache Hinzufügen von Entwicklerkompetenz in autonomer Fahrtechnologie. Speziell die Integration stellt in diesem Fall eine Komplettumstellung dar und muss in der Organisation zugleich in allen Teilbereichen sowie ebenenübergreifend begleitet werden.

Compliance

Je nach Technologie gibt es eventuelle gesetzliche und Compliance-Anforderungen, die erfüllt und untersucht werden müssen.

Am Beispiel autonomes Fahren: Neben der Haftungsfrage im Falle eines Unfalls stellt auch der Datenschutz eine Herausforderung dar; ebenso die unterschiedlichen gesetzlichen Anforderungen in verschiedenen Rechtsräumen. zusätzlich zur rechtlichen Komponente ist auch das Thema Auflagen durch Versicherungen relevant, da dies zu einem potentiellen Kostenpunkt für Nutzer werden kann.

Gesellschaft und Politik

Die gesellschaftliche, aber auch politische Reaktion auf Einführung einer Technologie bildet einen Hintergrund, der nicht unterschätzt werden soll.

Am Beispiel autonomes Fahren: Es ist aufgrund von Gewohnheit und anderen subjektiven Gründen nicht davon auszugehen, dass alle potentiellen Nutzer (insbesondere im Consumer-Bereich) als Kunden gewonnen werden. Besonders in der Einführungsphase ist zudem mit politischem Widerstand aus strategischen Gründen zu rechnen; keine Regierung möchte für Unfälle oder sonstige negative Auswirkungen verantwortlich gemacht werden. Hinzu kommen die sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Haltungen zum Thema Datenschutz. Nicht zuletzt kommt der kulturelle Faktor von unterschiedlichen Fahrstilen in verschiedenen Ländern hinzu. Je nach regional gängigem Fahrstil bzw. dem Unterschied zwischen dem Fahrstil eines Fahrerlosen Autos und dem einer jeweiligen Fahrergruppe könnte die Bereitschaft zur Adoption größer oder kleiner ausfallen.

Holistische Faktoren und Auswirkungen

Neben all den erwähnten Faktoren für sich genommen sind auch das Zusammenspiel all dieser Faktoren und daraus resultierende Effekte zu beachten. Die Disruptivität, das Potential, der Reifegrad usw. sind alle für sich bereits wichtig. Aber was bedeutet es genau, wenn eine bestimmte Technologie in einer bestimmten Industrie mit einem bestimmten Profil an Kosten, Risiken, Potential und Disruptivität angewendet werden soll?

Am Beispiel autonomes Fahren: Wenn autonomes Fahren sich verbreitet, wie ändert sich die Zeiteinteilung von Pendlern, wenn plötzlich mehrere Stunden pro Tag frei werden? Wie und wann ist in diesem Fall ein Eigentumswagen sinnvoll? Ändert sich die regionale Bevölkerungsverteilung sowie die Anzahl an Pendlern? Gibt es sozioökonomische Veränderungen, wenn die Anzahl an Angestellten im Transportationsbereich stark abfällt?

Meistens ist die Investition in neue Technologien eine langfristige Entscheidung mit weitreichenden Folgen. Um eine fundierte Entscheidung zu Investition oder Implementierung einer neuen Technologie treffen zu können, ist ein Verständnis der relevanten Faktoren unumgänglich, aber auch die passenden Frameworks, um diese Faktoren und Eigenschaften korrekt einzuordnen.

Iceventure – Partner für Technologiebewertung und Technologiestrategie

Iceventure hilft Unternehmen dabei, neue Technologien effektiv und methodisch zu nutzen. Dazu bietet Iceventure Technologiebewertung und Technology Scouting für unterschiedliche Anwendungen und Kundenbedürfnisse. Zu unseren Kunden zählen KMUs sowie Großunternehmen. Wir identifizieren und bewerten Technologietrends und ermitteln ihre Auswirkungen auf den Markt sowie einzelne Marktakteure. Das Iceventure-Team hat einen bereichsübergreifenden Produktentwicklungshintergrund und verfügt über umfangreiches und tiefgreifendes Wissen von zahlreichen, verschiedenen Technologie-Industriesektoren, einschließlich Biotech, Fintech, Energiespeicherung sowie digitalen Technologien wie KI und Blockchain.

Iceventure hat zudem Wissen und Erfahrung mit VC, Startups und M&A, der Erfassung und Aufarbeitung von großen Datenmengen, sowie mit dem Aufbau von Verbindungen zu einer Vielzahl an Industriekontakten.

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