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Global Macro Snapshot - Volatilität, der Techsektor und erzwungene Innovation I Ukraine

An dieser Stelle hätte eigentlich der jährliche Artikel mit dem Themenschwerpunkt Technologieausblick 2022 erscheinen sollen.

Nun geht es um die Ukraine, besser um eine erste Einordnung und Reflektion zu den möglichen langfristigen Auswirkungen auf Volkswirtschaft, Unternehmen und den internationalen Techsektor.

Zuerst: Der Angriff auf die Ukraine ist ein entsetzlicher Moment der Geschichte, der eine Wende, eine Zäsur bedeutet. Wenn man allerdings sowohl die Reaktionen, Reden als auch die mediale Berichterstattung, insbesondere die Aussagen diverser dt. und europäischer Politiker auswertet, überrascht die Blauäugigkeit und die „Blase“ aus der die deutsche und europäische Öffentlichkeit aufgewacht.

Für unsere Kunden hingegen ist der Fakt einer zugenommenen Volatilität, die sich nun traurigerweise realisiert, keine größere Überraschung. Ordnen wir also die Ereignisse in Rahmen unseres Analysekontext ein.

Der Trend setzt sich fort - Die Welt ist volatiler geworden

Wie unsere Kunden wissen, betrachten wir die gestiegene und steigende Volatilität in der Weltpolitik als Teil des derzeit dominanten Trends des säkularen Wandels, der sich auf verschiedenen Ebenen manifestiert. Kennzeichen ist dabei, dass in einem säkularen Wandel viele belastbare Positionen, die Jahrzehnte lang funktioniert haben sich auflösen oder angepasst müssen.

So auch in der Politik: Der Ausgangspunkt ist die Einordnung, dass seit ca. der Periode 2008-2010 das Zeitalter der Dominanz der Wirtschaft über politische Fragen beendet ist. Damit endete eine Epoche in der wirtschaftliche Überlegungen (der CEO eines globalen Unternehmens legt vor, die nationale und internationale Politik folgt) für ein Land anderen politischen Fragen übergeordnet war. Die „Wandel durch Handel“-Politik kann man teilweise so erklären und hier einordnen.

Im Hinblick auf die Außenpolitik bedeutet dies, dass auch hier Jahrzehnte alte Positionen sich verändern. Seit Jahren weisen Experten, darunter auch wir, dies im Rahmen der Analyse von Politik und auch wirtschaftliche Auswirkungen auf deutsche und europäische Unternehmen darauf hin, dass die Welt sich ändert. Im konkreten Fall: Seit einigen Jahren ist eine Veränderung der globalen Sicherheitsarchitektur im Gange. Amerika hat sich innenpolitisch entschieden, nicht mehr weltweit unmittelbar aktiv präsent zu sein. Dies verändert die Nachkriegsordnung (Bretton Woods), in der globaler Handel unter (für) amerikanischer Sicherheit gefördert wurde massiv. Wichtig insbesondere für deutsche Leser ist, dass dieses Ergebnis einer innenpolitischen Diskussion in der USA vorausgeht, was bedeutet, dass die Personalie des Präsidenten sehr wahrscheinlich wenig ändert bzw. geändert hat. So kann man davon ausgehen, dass auch unter einer möglichen Präsidentin Clinton, der von Trump begonnen Rückzug und Einfordern der 2% NATO-Beitrag umgesetzt worden wären. Nur, nur im Stil anders.

Implikationen für die deutsche Wirtschaft

Export Deutschland Handelspartner Global Macro 032022Die Implikationen für die deutsche bzw. viele europäische Volkswirtschaften und Unternehmen durch diese Veränderung sind groß. Damit sind nicht die unmittelbaren Folgen der Sanktionen und des Krieges in Ukraine gemeint. Diese kommen noch hinzu.
Es geht um die Konsequenzen für Unternehmen und die Gesellschaft im Hinblick auf die Sicherung von Handelswegen oder die notwendige Veränderung von Lieferketten. Diese können entweder global bleiben, mit der Konsequenz der Sicherung oder re-lokalisiert werden. Das Desinteresse an diesen globalen Veränderungen der Sicherheitsarchitektur in Deutschland – auch in der deutschen Wirtschaft - bleibt bis heute ein Rätsel. So ist ein Land mit 50% Exportquote doch massiv von sicheren Transportwegen und Handelsbeziehungen abhängig.

Zwei ausgewählte Beiträge aus dem Feld der Global Macro Analyse

An dieser Stelle sollen zwei weitere Global Macro Analysen eingefügt werden.

Zum einen ist hier das Aufgreifen des vorherigen Absatzes. Makroökonomisch bleibt das deutsche Modell des Exportweltmeisters ein Outlier, ist dadurch angreifbarer und führt diese extrem betriebene Positionierung zu einer Reihe von realen ökonomischen Verwinkelungen, die während der Eurokrise bereits zu sehen war.

Ein zweiter Punkt ist, dass sich das grundsätzliche, wirtschaftliche und politische Modell zur Analyse Deutschlands - im Gegensatz zu Zeitgeist-getriebene Annahmen - nicht geändert hat. Deutschland ist eine Mittelmacht in Europa, und als rohstoffarmes, zugleich gleichzeitiges Hoch-Industrieland einer Reihe von Constraints ausgesetzt. Diese bestimmen die realpolitischen Handlungsoptionen. Eine davon ist der Bedarf an Energie, spezifischer günstiger und zuverlässiger, also grundlastfähiger Energie. Gleichzeitig beschränkt die geographische Lage die Kosten/Nutzenrechnung bestimmter Formen der erneuerbaren Energien.

Die Rolle als (zu große/zu kleine) Mittelmacht mit großem Einfluss in Europa kommt dazu. Dies hat die deutsche Politik gerne ausgeblendet oder nur sehr selektiv war genommen z.B., bei der vermeintlichen Vorreiterrolle in der Energiewende. Die Außenansicht auf Deutschlands Positionierungen (außenpolitisch wie energiepolitisch) stehen oft in großem Kontrast zur deutschen Wahrnehmung, was unsere Gesprächspartner und Analysen immer wieder zeigen.

Auch wenn es nicht gefällt, diesen Faktoren muss Rechnung getragen werden, auch im Ansatz durch technologische Innovation Probleme zu lösen.

Ein Lösungs-Beitrag des Techsektors oder globalen Tech-Community?

Technologiegetriebene Unternehmer und Personen haben im letzten Jahrzehnt eine immer größere Rolle eingenommen, sodass gerne von einer globalen Tech-Community gesprochen wird, die zu wichtigen Problemen Lösungen erarbeitet und beitragen. Auf die Aktivierung hoffen z.B. viele auch in der Energiewende.

Die spannende Frage ist also die Auswirkungen auf den Tech-Bereich, einem Schwerpunkt unsere Beratungstätigkeit. Welche Reaktion könnte erfolgen? Welche Lösung könnte Tech zu diesem Problem beitragen? Ist Elen Musk mit Starlink ein Beispiel für private kritische Infrastruktur, das Schule macht? Dazu einige Szenarien:

Eine Alternative ist das schnelle und massive Schaffen eines privaten Angebots von militärischen oder Sicherheits-Produkten- oder militärischen Produkten, also einem securitytech / militarytech ecosystem. Ist die pragmatische Antwort der Tech Industry also, dass Tech- Entrepreneure nun massiv anfangen, private Sicherheits- und (defensive) Rüstungstechnologie zu entwickeln? Ökosystem. Dies könnte von Drohnen, über Cybersecurity-Lösungen, digitalem/elektronischem Schutz von Infrastruktur, Soldaten-Robotern oder auch AI-Anwendungen zu (semi-) militärischen Zwecken viele Lösungen sein. Ist die pragmatische Antwort der Tech Industry also, dass Tech-Entrepreneure nun massiv anfangen, private Sicherheits- und (defensive) Rüstungstechnologie zu entwickeln? Oder entsteht, getriggert durch den „Event“ sogar ein privater Markt für Sicherheit? Dies muss nicht unbedingt rein militärisch sein, aber auch das Feld von Cybersecurity gegen staatliche Akteure und das Thema Fake News ist groß. Auch ist der große para-militärische Graubereich zu erwähnen.

Eine andere, und auch wahrscheinliche Möglichkeit ist eine Neubewertung der Akteure der Realität in einem Sektor am Ende eines langen Booms. Handelt es sich also um den Auslöser für ein großes Aufwachen und das Feststellen, dass viele der Geschäftsmodelle auf der Wahrnehmungsblase elitärer, universitär ausgebildeter Eliten basieren, die nicht nachhaltig sind? Ein E-Mail, dass uns erreichte enthielt genau diese Worte, bemerkenswerterweise exakt zum zweiten Mal nach der Eurokrise.

Wie könnte diese Entwicklung ausschauen und welche Chancen ergeben sich? Betrachten wir zuerst den Markt.: Technologietrends lassen sich einigermaßen in Analogien zu beobachteten Mustern analysieren und bewerten. Hier gibt es zwei Muster. Das eine ist, dass aus dem militärischen Bereich kommende Entrepreneure, ihr Wissen und Technologieerfahrung in Produkte und Services für den Zivilbereich nutzbar machen. Ebenso die gesammelte Erfahrung in Teamführung. Das ist eine der Säulen der israelischen Startup-Nation.

Die Umkehrung des Ausbringungspfads, d.h. die freie Schaffung von Innovation für staatliche Märkte, ist schwieriger und ist auch durch historische Beispiele gesichert. Vielen Unternehmen steht am Ende ein Abnehmer, die jeweilige Landesarmee und seine Beschaffungsorgane, gegenüber. Dies hat Implikationen, ähnlich wie für Lösungen im Edtech Bereich, für z.B. auf den Verkaufszyklus.

Oder entsteht, getriggert durch die Events ein privater Markt für Sicherheit. Dies muss nicht unbedingt rein militärisch sein, aber das Feld von Cybersecurity und Fake News ist groß. Auch ist der große para-militärische Graubereich zu erwähnen.

In welche Richtung das Pendel ausschlägt lässt sich erst über Zeit beantworten. Der entscheidende Punkt für die Betrachtung ist die große Bandbreite des Beitrags der Tech-industrie und damit auch Volatilität.

Energie, Energietechnologie, Energiewende und Sicherheit

Natürlich ist mit der politischen Reaktion auf die Situation ist die Frage nach Energieversorgung und Energiesicherheit gekoppelt. Im Kontext hier soll sie aber unter dem Aspekt TECH betrachtet werden.
Greentech oder Renewable Tech ist seit Jahren ein gehyptes Feld. Oft als Industrie mit Raum für innovative Startups beschrieben, ist die Realität eher diese, dass die großen Alternativtechnologien Solar, Wind, Geothermie oder Batterien alles Technologien mit klassischer Produktion und damit industrielle Technologien sind. Ähnliches gilt auch für Wasserstoff.
Technologien mit solchen industrieökonomischen Merkmalen sind aber grundsätzlich deutlich schwerschwere im Rahmen einer VC-Finanzierung darstellbar und damit finanzierbar. Sie sind auch deutlich schwerer zu akzelerieren, wie wir in diversen Kundengesprächen diskutiert haben.

Innovation in der Politik

Damit möchte ich das Thema Tech und Innovation im weiteren Sinne diskutieren. Dringend notwendig ist politische Innovation. Das ist Teil von Zyklen und sich verändernden Konstellationen. Manchmal ist es der Tech-Sektor der vorlegt, manchmal ist es die politische Gestaltung, der der Tech-Sektor folgt. Als Beispiel kann man Island nach 2008 aufführen. Die Innovation die in der Politik und Gesellschaft notwendig war und, wenn auch manchmal weniger sichtbar, stattfand ist enorm. Und sie hat viel Energie gekostet.
Deutschland und Europa benötigen dringend eine komplett neue Vision und Strategie für eine neue Weltordnung und Sicherheitsarchitektur. Dies bedeutet eine umfassende Revision von z.B. Wehrpflicht, Klassifizierung von Gütern und Gestaltung von bilateralen Abkommen sowie eine realistische Bewertung von Energieversorgung. Das ist viel.
Zum einen ist zu hoffen, dass dieses Aufwachen stattfinden wird, denn, dann manchmal scheint es, dass trotz aller Nachrichten rund um dieses „Aufwachen“, es doch nicht stattgefunden hat
Zum anderen hat dies natürlich alles Auswirkungen auf Unternehmen, das Management in der aktuellen Situation und letztendlich das BIP in Deutschland und dessen Verteilung. Volatile Zeiten, die guten Rat nötig machen. Und gesellschaftliche Innovation bedeutet Energiebedarf durch viele Diskussionen.

Es wird also Anfang 2022 für CEOs und Entscheider nicht einfacher nach zwei Jahren Corona.

A. Eggerz is entrepreneur and managing director of Iceventure.