Diese Seite drucken

Arbeitsproduktivität im Homeoffice - Zahlen, Erfahrungen und der Link zu guter Digitalisierung

 Mit der Fortsetzung des zweiten Lockdowns und einer sehr wahrscheinlichen Verlängerung wird neben der Anordnung sogar der Rechtsanspruch auf Home Office von der Politik angedacht
Spätestens damit wächst die Sorge bei Unternehmen, egal ob KMUs oder Corporates. Die Befürchtungen zu den langfristigen Auswirkungen sind nämlich groß. Denn es stellt sich für viele Firmen in Deutschland die Frage nach Arbeitsproduktivität von Mitarbeitern im Homeoffice.

Homeoffice Digitale Zusammenarbeit richtig
So hören wir oft in Gesprächen, dass mit bei Arbeit neben Familie und Haushalt und mangelnder Abgrenzung, die Leistung zurück
geht. Auch die Möglichkeiten der Mitarbeiterführung werden eingeschränkt.

Diese Frage stellt sich auch über die Pandemie hinaus. Denn wie verlockend es auch sein mag, Bürofläche zu sparen, fürchten vielen kleine und mittlere Betriebe genauso wie große Unternehmen, aus Produktivitätsgründen nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. 

Schauen wir uns also an, welche Daten und Informationen zu der Frage für Unternehmen als Hilfe vorliegen.

Studien zur Arbeitsproduktivität 

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Aussagen der Wissenschaft. Hier ergibt sich ein gemischtes Bild. Dazu einige relevante Studien der letzten Zeit:

In einer von der IAO und DGFP durchgeführten Studie wurden 236 Unternehmen zu ihrer Erfahrung im ersten Lockdown befragt. Hier gaben mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen an, dass die Leistung ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice gleich geblieben sei. Nur 0,5 Prozent spürten starke Einschränkungen. Und über 30 Prozent melden, dass die Produktivität sogar gestiegen sei.1

Diese Studie in Form eine Umfrage kommt also zu einem positiven Ergebnis. 

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt eine Umfrage der Stiftung Familienunternehmen. Hier geben 27 der Unternehmen eine niedrigere Produktivität im Homeoffice an, und nur sechs Prozent sehen eine Steigerung.

Noch interessanter wird das Ergebnis der DAK, so auch veröffentlicht bei Statista. Bei der Befragung von Erwerbstätigen geben ca. 41% an, nicht so produktiv im Homeoffice zu arbeiten.

 
Als indirekten Indikator für eine gute Arbeitsproduktivität nimmt Studienleiterin Josephine Hofmann, die auch bei der ersten Studie dabei war, die angestiegene Zahl der Homeoffice-Befürworter. In einer im Dezember 2020 veröffentlichten Umfrage ist diese von 42 auf 71 Prozent angestiegen. „Dieser Umschwung könnte auf die Ergebnisse in Sachen Produktivität zurückzuführen sein.“

Für ein endgültiges wissenschaftliches Ergebnis ist es also noch zu früh. Und natürlich ist auch zu berücksichtigen, dass pandemiebedingte Probleme im Homeoffice wie z.B. das unvorbereitete Organisieren von Heimarbeitsplätzen, nicht 1:1 mit dem Homeoffice als Arbeitsform and und für sich zusammenhängen. 

In der Summe aber decken sich die eher negativen Aussagen mit unserer „Statistik“, d.h. den Ergebnissen aus ca. 20 Gesprächen mit unterschiedlichen Entscheidern aus allen Branchen. 

Meinungen und Warnungen von Experten 
Es gibt auch mahnende Stimmen von Experten. So ist der bekannte Managementberater Sprenger der Meinung, dass das permanente Homeoffice negativ für das Unternehmen ist. Grund ist nicht nur die Produktivität, sondern das Verlieren des Wir-Gefühls.

In Gesprächen im Fachaustausch auf der anderen Seite wird gerne darauf verwiesen, dass Homeoffice ja auch nichts Neues ist. Es war nur bis jetzt nicht jedem Mitarbeiter zugänglich. Gerade das Beispiel internationaler Konzerne wird hier zitiert, die bereits seit Jahren virtuelle Teams mit Mitgliedern rund um den Globus kennen und bei denen auch Schulungen bis hin zu ganzen Produktionsimplementierungen (der Schulungsteil) international durchgeführt werden. Auch diese Realität kennen wir bei Iceventure, wobei hier auf die Umstände eines solchen Projekts hingewiesen wird. Siehe dazu auch unsere Erfahrung Nr. 1. 

Was sehen wir in der Praxis? 

Angesichts dieser kontrastierenden Aussagen stellt sich für Unternehmen und Entscheider also nach wie vor die Frage, ist Homeoffice auch als primärer Arbeitsort nun langfristig sinnvoll? Dazu natürlich die praktische Frage, wie kann man digitale Zusammenarbeit – auch neben dem Zweck Homeoffice - produktiv organisieren? Und ist es ein Trend über die Pandemie hinaus?

Dazu einige Erfahrungen, Überlegungen und Beispiele aus unserer täglichen Arbeit im Bereich Digitalisierung, die unser Denken zu dem Thema prägen, und Unternehmen helfen, die Situation gut zu meistern. Unser Referenzrahmen ist dazu grundsätzlich, die Anforderungen für eine effektive Delegation und Zusammenarbeit an die Ebenen Information, Delegation und Kommunikation und Ablage. Diese müssen natürlich auch bei digitalen Prozessen und im Homeoffice abgedeckt sein. Dies bedeutet kurz erläutert, um eine Vorstellung zu haben: Mitarbeiter benötigen Informationen zu und über Ihren Aufgaben, die Tools, um sie zu erledigen und die Kommunikation einmal das Ergebnis zu melden aber auch darüber zu sprechen. Und einen allgemeingültigen Speicherort. 

Wie kann man dies also in einem ersten Schritt in einem digitalen Prozess umsetzen und in einem zweiten Schritt in ein produktives Homeoffice verwandeln?

Erfahrung Nr. 1 – Kontexte verstehen 
Viel hängt vom Kontext des Unternehmens und des Mitarbeiters ab. So haben wir Arbeitssituationen gesehen, wo die plötzliche Ruhe im Homeoffice gegenüber dem Großraumbüro für eine höhere Produktivität sorgte. Dies hängt aber mehr an der Büroorganisation, als am Homeoffice selbst. 

Ein anderer Kontext ergibt sich durch Art der Arbeit, Hierarchie und Rolle des Mittarbeiters. Ein Praxisbeispiel, die die Expertenrolle, die es auch in vielen Unternehmen gibt, aus eigener Erfahrung abbildet. Der „Neid“ auf den (vermeidlichen) Komfort von Onlinearbeit und Videokonferenzen ist verflogen So haben viele Kunden scherzhaft zu uns gesagt, dass Sie nun endlich wissen wie unser Arbeitsablauf als Berater ist, und dass Sie nun verstehen, wie viel Arbeit und Disziplin hinter einer primär digitalen Organisation stecken, da wir seit Jahren auf virtuelle Zusammenarbeit von verschiedenen Orten setzen. Es gibt sicher viele ähnliche Beispiele von Experten. Der entscheidende Punkt ist, dass dieser Arbeitskontext grundsätzlich von hoher Selbstorganisation, Motivation und Leistungsbereitschaft geprägt ist. Und in vielen Fällen hängt dies auch von dem verfügbaren Umfeld, den Mitteln und Mitarbeitern ab, um reibungslos zu funktionieren.

D.h. nicht jede Arbeitssituation und die Erfahrung mit dem Homeoffice ist 1:1 übertragbar. Diese Aufgliederung nach Aufgaben und Rollen, hilft dabei, die richtige Vorbereitung und Auswahl zu treffen.

Erfahrung Nr. 2 – Lücken in der Digitalisierung bremsen Arbeitsproduktivität, das Homeoffice deckt diese auf 

Produktivität im Homeoffice hängt natürlich sehr stark mit der Digitalisierung von Prozessen ab. Die Aussage schein also trivial. Aber es kommt auf die „richtige“ Digitalisierung mit Prozessketten im Blick, Tools und dem Training von Mitarbeitern mit der Gesamtheit der digitalen Tools umzugehen, an.

Und das ist nicht nur das Nutzen einer Software. Ein Beispiel ist die oft übersehene menschliche Schnittstelle zwischen den Programmen. So war eine interessante Erfahrung mit einem nach üblichen Metriken stark digitalisierten Kunden, dass zwar die Arbeitstools digital, aber nicht auf die Arbeit im Homeoffice abgestimmt waren. Damit meine ich nicht den Cloudzugriff sondern die Aufbereitung und Weitergabe von Informationen. Hier gab es viele Brüche, die im Büro schnell geklärt werden konnten. Im Homeoffice, mit durch Kinderbetreuung verschobene Zeiten funktionierte und reichte das nicht. 

Es war also weder das Homeoffice alleine, noch der Mangel im Digitalisierungsprozess, sondern in der Feinabstimmung derOrganisation.

Erfahrung Nr. 3 – Tools vs. Augenmaß  

Videokonferenzen mit Zoom hier, eine Nachricht bei Slack dort, zusätzlich Emails und noch eine Projektmanagement-Software. In vielen Situationen haben wir das Übermaß an Tools gesehen. Die Folge - doppelte Arbeit und damit Arbeitszeitverlust.  
Ein weiterer wichtiger Punkt: Überdimensionierung. In vielen KMUs reicht bereits der effiziente und richtige Einsatz der Tools, z.B. von Office365 oder Google Workspace, um viele Abläufe digital und effizient abzubilden.

Doch auch hier muss alles organisiert sein. Dieser Punkt schließt am vorherigen an. Jeder Mitarbeiter muss wissen, wo Informationen liegen, Ergebnisse zu speichern sind und über welchen Kanal Nachfragen, Austausch und Kommentare möglich sind.

Mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da. Die Studie mit dem Titel „Bericht zur Anatomie der Arbeit 2021" von Asana, einem amerikanischen Hersteller von Arbeitsorganisationssoftware, kommt zu dem gleichen Schluss. Für diesen Bericht wurden mehr als 13.000 Wissensarbeiter weltweit, die den Großteil ihrer Arbeit an einem Computer erledigen, befragt. Die Fragen drehte darum, wie sie ihre Zeit bei der Arbeit verbringen.

Fast 60 Prozent der Zeit wenden die Befragten für Arbeit auf, die nicht direkt mit einem Projekt oder einer Aufgabe zu tun hat. Alleine dreieinhalb Stunden pro Woche würden für unnötige Besprechungen aufgewandt. Und auch das Duplizieren von Inhalten/Kommunikation über mehrere Systeme hinweg kostet Zeit und lenkt die Teilnehmer vom Arbeiten ab.  
Konkret bedeutet dies, dass Arbeitnehmer jede Woche 6 Stunden und 5 Minuten sparen, wenn die Abläufe im Unternehmen optimiert würden. Das sind volle acht Arbeitswochen umgerechnet auf ein Jahr

Natürlich kann dies nicht der Arbeitsform Homeoffice angelastet werden. Es zeigt sich vielmehr, wie sehr die Punkte 1 bis 3 uns unseren Erfahrungsbericht miteinander verbunden sind

Es zeigt sich also, dass auch digitale Zusammenarbeit effizient organisiert werden muss, mit ein wichtiger Grund warum wir ein entsprechendes Training „effiziente, digitale Zusammenarbeit“ aufgelegt haben. Dann gelingt auch das Homeoffice (besser).

Ein Blick auf den Trend und seine Nachhaltigkeit 

Eine Gewissheit der Pandemie scheint, dass das Homeoffice bleiben wird. Doch ist das wirklich so? Die Antwort ist nicht so klar wie viele annehmen. Grund ist, dass in der Verarbeitung einer Krise auch die neue Situation eine lineare Fortschreibung finden. Dagegen spricht, dass für viele Arbeitnehmer dass Trennen von Beruf und Privatleben sowohl eine langjährige Erfahrung als auch der Idealzustand ist. 

Dazu kommt die hier diskutierte Frage nach Arbeitsproduktivität. Ein prominentes Beispiel ist Yahoo, wo die damalige CEO das Homeoffice radikal abschaffte. Und auch der Kostenspareffekt wird weniger stark ausfallen, wenn der Gesetzgeber bei dem Thema Rechte im Homeoffice nachschärft.

Es wird sich also zeigen

Wir gehen von einer gesunden Mischung aus. Das Angebot von Homeoffice als Arbeitsform wird (zumindest nominell) steigen und Teil flexibler Arbeitsmodelle werden. Reines Homeoffice als Hauptform der Arbeit sehen wir nicht, wobei die länderspezifischen Unterschiede sehr groß sein können.

Egal wie der Trend sich fortsetzt, für Unternehmen lohnt es sich auf jeden Fall, in die Mitarbeiter und eine effiziente digitale Zusammenarbeit zu investieren. Dann klappt es auch im Homeoffice. 

Links und Quellen:
[1] ARBEITEN IN DER CORONA-PANDEMIE LEISTUNG UND PRODUKTIVITÄT IM »NEW NORMAL, JOSEPHINE HOFMANN | ALEXANDER PIELE | CHRISTIAN PIELE; FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO
[2] ARBEITEN IN DER CORONA-PANDEMIE – AUF DEM WEG ZUM NEW NORMAL, JOSEPHINE HOFMANN | ALEXANDER PIELE | CHRISTIAN PIELE, FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO
[3] Niedrigere Produktivität im Homeoffice Repräsentative Umfrage - Stiftung Familienunternehmen
[4] Anatomy of work 2020, Asana

A. Eggerz is entrepreneur and managing director of Iceventure.